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Tag des Lernens und Lehrens 2022

Der Blick in die Zukunft des Lernens und Lehrens aus den Erfahrungen der vergangenen zweieinhalb Jahre – Eindrücke vom Tag des Lernens und Lehrens 2022 an der Universität Freiburg

Titelbild TdLL_Programm 

 

Wie vereint man nun das Beste aus der digitalen Welt mit dem Bewährten? Wie können Lernen und Lehre der Zukunft von den Erfahrungen der letzten Jahre profitieren? Am Tag des Lernens und Lehrens am 11.11.2022 unter dem Motto „re:[turn] zurück in die Zukunft“ tauschten sich Lehrende, Expert*innen und Interessierte aus und brachten ihre Erfahrungen und Wünsche zu Hochschullehre und Studium von heute und morgen ein. Verschiedene Programmpunkte – thematische Workshops, eine Postersession, Keynotes, eine Podiumsdiskussion und die Ehrung der diesjährigen Preisträger*innen des Electronic Instructional Development Awards (E-IDA) – dienten dabei als Plattform für den Dialog und Austausch.

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Nach zweieinhalb Pandemiejahren war wieder einmal eine Großveranstaltung in Präsenz möglich, die mit knapp 100 Teilnehmenden auf große Resonanz nicht nur bei den universitären Angehörigen, sondern auch bei Gästen von außerhalb gestoßen ist. Das ist derzeit keine Selbstverständlichkeit mehr. In seiner Begrüßung bilanzierte Dr. Günter Schmidt-Gess, Leiter des Bereichs Lehrstrategie und Digitalisierung, dass der Studienbetrieb – unter Pandemie-Bedingungen fast ausschließlich über digitale Medien und Instrumente – im Großen und Ganzen gut bewältigt wurde, was die Befragungen der Lehrenden und Studierenden zur Lehre zeigten. Das liege nicht zuletzt daran, dass die Universität Freiburg im Bereich des digitalen Lehrens und Lernens schon vor Corona in vielen Bereichen Vorreiterin war. 

Als Beispiele nannte er das E-Learning-Qualifizierungsprogramm, welches bereits vor 10 Jahren von der Abteilung E-Learning und dem Bereich Hochschuldidaktik und digitale Lehrentwicklung entwickelt wurde, und welches gerade unter dem Namen „edacticLab“ inhaltlich neu aufgestellt wird, sowie die Verabschiedung einer Digitalisierungsstrategie 2019. 

Gleichzeitig erkenne man aus den Rückmeldungen der Lehrenden und Studierenden, dass Lernen und Lehren, dass Universität nicht ohne physische Präsenz, persönlichen Austausch, Kommunikation und Vernetzung, nicht ohne den persönlichen Dialog von Angesicht zu Angesicht gelingen kann. Zu dieser Erkenntnis hat sich auch der Senat der Universität Freiburg in seinem im Juli dieses Jahres verabschiedeten Positionspapier zur Zukunft der Präsenzlehre eindrücklich bekannt.

Wie man Lernen und Lehren an der Universität zukunftsträchtig weiterentwickeln kann, dazu gab es als Mind Opener Impulsvorträge zweier renommierter Kollegen, Prof. Kohls von der TH Köln zu „Hybriden Lernräumen auf dem Campus“ und PD Dr. Deimann von der Ruhr-Universität Bochum mit dem Titel „Von der Digitalisierung zur Digitalität“.

Prof. Dr. Christan Kohls ging in seiner Keynote am Vormittag der Frage nach, wie hybride Räume auf dem Campus aussehen sollten, damit die Lehre gelingt und Studierende gern auf den Campus kommen. Der Referent zeigte hybride und digital ausgestattete Lernräume auf dem Campus Gummersbach der TH Köln, aber auch zahlreiche weitere Beispiele guter Raumkonzepte aus seiner Lernraumsafari durch diverse Hochschulen. Zusammen mit Erfolgsfaktoren für die Gestaltung von Bildungsprozessen auf einem hybriden Campus dokumentiert seine Forschergruppe in einem Repositorium „hybride Lernräume“ zahlreiche Entwurfsmuster für die Gestaltung hybrider Lernräume in der Hochschullehre.

Der hybride Campus bewirke nach Kohls „gleichzeitiges Denken und Agieren in mehreren Räumen“ und führe zur „Zeit- und Ortvielfalt des Lernens“. Dies bringe das Überlappen von Lernräumen und die Möglichkeit, sich mehrfach zu verorten, mit sich. Schließlich löse ein solcher Campus die Dichotomie des entweder „on-line“ oder „off-line“ Lernens und Lehrens bzw. des nur physischen oder nur digitalen Raums auf. De facto fänden die Lernprozesse in beiden Räumen gleichzeitig statt. 

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Wie hybride Lernräume aussehen könnten – aus dem Vortrag von Prof. Dr. Christian Kohls

Neben den klassischen Spielarten der Hybridität in der Lehre, die bereits während der Pandemie-Semester erfolgreich ausprobiert worden seien, stünden nach Kohls nun Nutzungen der digitalen Medien auf dem Campus im Focus, z. B. sei ein schnelles Wechseln von einer Lerngruppe zur anderen während des Unterrichts auf dem Campus über digitale Break-out-rooms möglich. Dasselbe gelte für die Nutzung von kollaborativen digitalen Werkzeugen wie Miro. So könnten die Studierenden gleichzeitig in verteilten Teams (z. B. an unterschiedlichen Standorten und in unterschiedlichen Formaten) online und in Präsenz parallel auf einem digitalen Board gemeinsam arbeiten. Die Nutzung flexibler hybrider Räume, die eine Verknüpfung von Physischem und Digitalem ermöglichen, erweitere die zeitliche und methodische Vielfalt (z.B. Verknüpfung von physischen und virtuellen Dokumenten und Objekten), fördere die virtuelle Mobilität und biete auch weiteres Veränderungspotential. Das Bekenntnis zum Präsenz-Campus liege nicht nur daran, dass er zur Wissensvermittlung oder Kompetenzaufbau geschaffen ist, sondern gerade in der Schaffung von Möglichkeiten für Partizipation und Inkulturation in die wissenschaftliche Praxis für alle Campusangehörige. Dieser Anspruch gelte genauso für die Lehr-/Lernszenarien auf dem hybriden Campus.

Als nächster Programmpunkt luden die fünf Workshops Lehrende ein, sich ihr Wissen zu relevanten Themen wie Open Educational Resources, Förderformate, digitale Prüfungen, digitale Selbstlernmodule und zum Umgang mit Vielfalt von Lehrenden gemeinsam zu erarbeiten, ihre Ideen einzubringen und zu diskutieren. Alle Referentinnen und Referenten kamen übrigens in diesem Jahr aus der Universität Freiburg – ein weiteres Zeichen dafür, dass in den letzten Jahren viel Kompetenz in unseren Abteilungen und Bereichen aufgebaut wurde. 

In den Kaffeepausen konnten die Teilnehmenden sich zu ihren Erfahrungen und Eindrücken der Tagung austauschen und sich ein Bild von den Ergebnissen der „Zukunfts- und Dialogwerkstatt: Hackathon Haus des Lernens und Lehrens“ vom 30.09.2022 verschaffen. Diese Poster sind über ILIAS abrufbar.

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Posterausstellung zum Haus des Lernens und Lehrens

Nachmittags wurden zunächst drei Projekte ausgezeichnet, denen es bereits jetzt gelungen ist, die Herausforderungen digitaler und präsenter Lehre vorbildlich zu vereinen. Deren Ideengeber wurden mit dem „Electronic-Instructional Development Award“ (kurz: E-IDA) mit je 40.000 € prämiert, eine Förderung der Stiftung Innovation in der Hochschullehre im Rahmen des Freiburger Projekts „4D“. Dieses steht für „4 Dimensions of Digital and Didactic Development“ und setzt Impulse in verschiedenen Teilprojekten für die Umsetzung der Potentiale digitaler Transformation. Mit den E-IDAs beziehen wir uns ‚zurück‘ nicht nur auf ein bekanntes Format 'zurück', sondern auch in Richtung Zukunft auf Themen und Fragen, die uns bereits vor der Pandemie intensiv beschäftigt haben. Gleichzeitig bewegen wir uns mit dem E-IDAs Fokus auf die digitale und hybride Lehre Richtung Zukunft.

Die ersten drei E-IDAs wurden bereits Ende Mai vergeben. Bis Ende Dezember läuft noch die Ausschreibung für drei weitere E-IDA-Preise.

Die Preisträger*innen der ersten drei E-IDAs sind:

  • Prof. Dr. Achim Rabus/Dr. Tobias Streck/Prof. Dr. Racha Kirakosian, „Micro-Credentials in den ‚Digital Humanities‘ “, Philologische Fakultät

Das neue Zertifikatsprogramm zu Themen und Methoden der „Digital Humanities“ bietet ein attraktives Angebot für Studierende der Geisteswissenschaften zu aktuellen, in der Berufswelt stark nachgefragten digitalen Kompetenzen. Insgesamt soll das Projekt die strategische Weiterentwicklung von Forschung und Lehre an der Philologischen Fakultät hinsichtlich der passgenauen Kompetenzvermittlung anstoßen

  • Prof. Dr. Gudula Schmidt „Selbstlerntool ‚Trimm-Dich-Pfad Pharmakologie‘ “, Institut für Experimentelle und Klinische Pharmakologie

Nach dem Aufbau sollen abwechslungsreiche Selbstlerntools in der Pharmakologie nicht nur die gezielte Prüfungsvorbereitung in einem umfangreichen Stoffgebiet ermöglichen, sondern langfristig für eine fächerübergreifende Nutzung an der Universität Freiburg zugänglich gemacht werden – und als „Open Educational Resource“ weit darüber hinaus.

  • Dr. Flavio Bessi, „Work (it) out“, Sportwissenschaften

Das Projekt soll Studierenden helfen, ihre eigenen sportlichen Leistungen, ihr bewegungswissenschaftliches Verständnis und damit die spätere Lehrbefähigung zu verbessern. Dazu soll eine Sporthalle mit digitalen Medien und Technologien „angereichert“ und z.B. ein Videofeedback in Echtzeit für Studierende eingerichtet werden – beides mit geringem technischem Aufwand digital abrufbar und ansteuerbar.

Das Projekt „Work (it) out“ kann bereits auf Vorarbeiten aufbauen, daher konnte Flavio Bessi den Teilnehmenden sein Projekt schon sehr anschaulich mit einer Präsentation und einer akrobatischen Vorführung vorstellen.

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"Work (it) out": Auf der selbstständigen Suche der sportlichen Leistungen mit digitaler Unterstützung

Als Geschäftsführer des Landesportals ORCA.nrw und Dozent an der Ruhr-Universität Bochum verfolgt PD Dr. Markus Deimann den aktuellen Diskurs zur Hochschulbildung im digitalen Zeitalter intensiv und hat seine Beobachtungen und Analysen z.B. auch schon im Hochschulforum Digitalisierung eingebracht. In seiner Keynote, die man hier nachlesen oder hier nachsehen kann, zeichnete Deimann Konturen einer Hochschulbildung Post-Corona als Antwort auf die Frage „Wieviel Digitalisierung braucht die Hochschule?“.

 

tdll6Aus dem Vortrag "Von der Digitalisierung zur Digitalität. Konturen einer Hochschulbildung Post-Corona" von Markus Deimann

Seinen und anderen Einschätzungen zufolge ist aus dem „Remote Emergency Teaching“ der vergangenen zwei Corona-Jahre noch keine neue Lernwelt an den Hochschulen entstanden. Damit in der Lehre aus den im Zuge der Krisenbewältigung angestoßenen Maßnahmen auf Dauer ein New Normal entsteht, bedürfe es der Beibehaltung und Weiterführung technischer Ausstattung und/oder personeller Ressourcen und somit der Bereitstellung ausreichender Finanzmittel.

Damit aus dem in Corona-Zeiten gewonnenen digitalen Schwung strukturelle Veränderungen im Hochschulbetrieb und der besagte Qualitätssprung in der Lehre entstehen könne, müssten die Hochschulen über ihre Rolle und Aufgabe in der digitalen Gesellschaft reflektieren und sich darüber verständigen. Die prekäre Lage im Mittelbau, das Nachhinken der Lehr- hinter den Forschungsleistungen auf dem Weg zur Professur, der Anspruch auf Qualifizierung für den Arbeitsmarkt und die digitale Gesellschaft der Zukunft: aus dem humboldtschen Bildungsideal der „Bildung als Selbstzweck“ werde schnell eine Bildung als „Mittel zum Zweck“.

Daher sei es für die Hochschulen notwendig „eine Haltung zur Digitalisierung zu entwickeln“. Denn Digitalisierung sei, wie die Geschichte lehre, ein „diskursives Konstrukt“ und „keine außerhalb der Gesellschaft stehende Kraft“, so Deimann.

Die Hochschulen stünden vor strategischen Entscheidungen, wie sie die Lehre der Zukunft gestalten wollen. Im Blick darauf sei es sinnvoll, didaktische Formate und offene Bildungsinhalte nicht nur hochschulintern, sondern hochschulübergreifend auf Landesebene verfügbar zu machen. Die wachsende Bedeutung von Portalen für offene Bildungsressourcen könne dann zur Transformation in der „Lehr/Lern- und Arbeitskultur“ führen.  Die Entwicklung und der Einsatz von Technologien stellten dabei „eine notwendige, jedoch keine hinreichende Bedingung für eine Transformation der Hochschullehre“ dar.

Die Podiumsdiskussion nahm den Impulsvortrag von Herrn PD Dr. Deimann zum Ausgangspunkt für den Austausch über die gemachten Lehr-/ und Lernerfahrungen der letzten zweieinhalb Jahre und die Implikationen für die Zukunft. Unter der Moderation von Günter Schmidt-Gess diskutierten Joachim Grage (Professor für Nordgermanische Philologe am Seminar für Skandinavistik), Markus Deimann (Bildungswissenschaftler und Geschäftsführer des Portals ORCA.nrw zum digital gestützten Lehren und Lernen an Hochschulen), Kathrin Drozella (Forstbotanikerin, Universitätslehrpreisträgerin und wissenschaftliche Mitarbeiterin der Abteilung E-Learning am RZ), Laura Jacke (B.Sc.-Studierende der Biologie) und Sebastian Neufeld (M.Sc-Studierender Neuroscience).

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In den Redebeiträgen zeigte sich, mit welcher Ambivalenz Lernende und Lehrende zwischen digitalen Formaten und präsenter Lehre navigieren. Alle Akteur*innen und Statusgruppen an den Hochschulen sind sich einig, dass man Erfahrungen und Erkenntnisse aus der Online-Lehre mit in die Präsenzlehre nehmen möchte. Doch zeigte sich, dass den Wünschen und Anforderungen begrenzte Möglichkeiten gegenüberstehen. Auch Begriffe von „Präsenz“ und „Online“ prägen unser Verständnis von Lehren und Lernen. Die Empfehlung lautet, die Präsenzlehre nicht als Gegenpol zur ‚Abwesenheit vom Lernsetting‘, sondern vor allem als „Gegenwärtigkeit, also das Jetzige, Gleichzeitige“ zu verstehen (Gumm & Hobuß 2021: 6). In dieser inklusiven Deutung werden auch solche synchrone Lernsettings als „Präsenz“ bezeichnet, bei denen den Teilnehmenden (Studierende, Lehrende) ermöglicht wird, für einander „gegenwärtig zu erscheinen und so miteinander wirksam zu werden“, und das „unabhängig davon, ob im physischen oder virtuellen Raum“ (ebd.). Auch lohnt es, sich mit dem Begriff „hybride Lehre“ auseinanderzusetzen, um eine bessere Verständigung über konkrete Ausprägungen hybrider Lehre zu erreichen (ebd.)

So werden Gelder für Digitalisierungsprojekte häufig kurzfristig, selten mittelfristig, nie aber langfristig bewilligt, was zu frappierenden Zuständen führt, denn geschaffene Strukturen, die sich in der digitalen Lehre bewährt haben, müssen unbedingt langfristig betreut und gepflegt werden. Lehrende, aber auch Studierende, kann das digitale Angebot überfordern –  Wege und Mittel, um z.B. gemeinsam mit den Studierenden passgenaue Angebote auszuarbeiten, müssen erst gefunden werden. Der Stellenwert der Lehre muss bei den Lehrenden in einer gesunden Relation zur Forschung stehen. Und schlussendlich gilt es auch, Räume zu schaffen, die den Anforderungen einer modernen und zukunftsfähigen Lehre gerecht werden: Neben digitaler Infrastruktur wird man Lernräume benötigen, die Lerngemeinschaften schaffen, an denen alle Hochschulangehörige gemeinsam partizipieren und so in ihre Fachdisziplin hineinwachsen können.

Es wird deshalb notwendig sein, den Diskurs über die Lehre von morgen mit allen Beteiligten auf Augenhöhe weiterzuführen. Die Ausgestaltung einer Lehrveranstaltung, eines Semesters, eines Studiengangs muss eventuell von Grund auf neu ausdiskutiert werden. Ein Konsens über didaktische (Haupt-)Wege wird erneut zu finden sein.

Lehrende werden auch zukünftig auf diverse Elemente der digitalen Lehren (virtuelle Begegnungsräume, digitale Werkzeuge und Lehrmaterialien) zurückgreifen, um ihre Präsenzlehre zu bereichern. Und die Studierenden müssen wieder abgeholt und in diverse hybride Lernsettings aktiv eingebunden werden.

 

Hier können Sie die Tagungsmaterialien (Vortragsfolien, Poster, Fotos der Ergebnisse der Workshops) und Videoaufnahmen aller Programmpunkte einsehen.

 

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